Direkt neben dem Hochhaus “Grohner Düne”, versteckt unter mächtigen Bäumen fristet das Gemäuer aus dem Jahr 1840 auf einer Anhöhe neben dem Kinder- und Familienzentrums Grohn ein etwas trostloses Schattendasein.
Viele wissen nicht einmal von der Existenz der historischen Ruine, die im Besitz der Stadt ist. Dabei steht das Bauwerk seit 2012 unter Denkmalschutz und wurde gerade für 80.000 Euro restauriert – je zur Hälfte aus Bundes- und Landesmitteln. „Es war sehr schwierig, die Mittel für die Instandsetzung einzuwerben“, erklärt Georg Skalecki, Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege. Durch den geöffneten Bauzaun betritt man das unwegsame Ruinen-Areal. Überall wuchern Brennnesseln. „Ohne die ganzen Büsche und Bäume hatte man früher einen freien Blick bis zur Lesum und zur Weser“, sagt der Kunsthistoriker. Im Stil englischer Gärten.
Den Urwald zu zähmen ist noch Zukunftsmusik und womöglich gar nicht zu realisieren. Dabei gehörten freie Sichtachsen und Ausblicke maßgeblich zum Konzept der Gartenarchitekten, die Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Turmruine gestaltet haben. Denn wo sich heute Kita, Bolzplatz und zahllose Bäume befinden, stand einst die Villa der erfolgreichen Vegesacker Schiffbauerfamilie Lange. Im Stil englischer Gärten hatte Johann Lange junior (1804 bis 1876), der älteste Sohn des geschäftstüchtigen Werfteigners und Unternehmers Johann Lange (1775 bis 1844), etwa um 1840 das Anwesen der Familie am „Alten Tief“ umgestalten lassen. Seinerzeit waren emotionale Landschaftsparks in Mode. Kennzeichen waren künstliche Wasserfälle, Grotten, Tempel oder Ruinen. Die Dramatik dieser scheinbar frei gestalteten Parks stand in Kontrast zu den vorher üblichen rational gestalteten barocken Gärten.
„Verfallene Gebäude sollten die Menschen während der Romantik in eine melancholische Stimmung versetzen und an die Vergänglichkeit erinnern“, sagt Georg Skalecki. Die Ruinen vermittelten gleichermaßen ein Gefühl der Erhabenheit und Einsamkeit. Und das war auch die Funktion der vermeintlich neogotischen Turmruine, die wie ein Relikt aus dem Mittelalter wirkt, aber reine Staffage ist. Gewissermaßen ein „Fake“ (Weser Kurier, 09.06.2018 – einige Sätze leicht verändert).